Bürgerinitiative Invalidenstraße

1.    Fehler in den Variantenprüfungen

Die Variantenuntersuchungen im Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens, deren Grundlagen und Materialien in mehreren Ordnern zusammengetragen und mit den Planfeststellungsunterlagen ausgelegt sind, leiden unter einer Reihe grundlegender Fehler, von denen hier beispielhaft Einzelne angeführt werden sollen. Eine Vertiefung und Ergänzung des Vortrags im Laufe des Planfeststellungsverfahren bleibt insoweit vorbehalten.

Zu den offenkundigen Fehlern der Variantenprüfungen gehört beispielsweise die in entscheidenden Abschnitten der Invalidenstraße offenkundig grob falsch angesetzte Zahl der Anwohner.

So wird für den Abschnitt zwischen Caroline-Michaelis-Straße und Am Nordbahnhof eine Zahl von 79 Anwohnern angeführt. In diesem Bereich befindet sich aber das Seniorenwohnheim in der Invalidenstraße 120, 121 mit über 160 Seniorenwohnungen, die mit Wohn- und Schlafräumen betroffen sind, das Haus Invalidenstraße 122 mit mehreren Mietparteien, die dort ständig wohnen und Hotelzimmern, wobei zur Invalidenstraße hin bei durchschnittlicher Belegung des Hotels von etwa 20 bis 25 betroffenen Personen auszugehen ist, sowie die Häuser Invalidenstraße 123 und 124 mit einer Vielzahl von Wohnungen. Die Zahl der betroffenen Anwohner liegt deutlich im dreistelligen Bereich etwa bei dem Dreifachen der angenommenen Anwohner. Dabei sind im Sinne der Betroffenheit durch Lärm, Schadstoffe etc. auch die Hotelgäste als Anwohner zu qualifizieren, da ansonsten das Hotel in der Variantenbewertung – was dann ebenfalls offenkundig fehlerhaft wäre – als nicht schutzbedürftig qualifiziert worden wäre und keine Rolle spielen würde. Das stünde aber in deutlichem Widerspruch zu den schalltechnischen Berechnungen zur Planfeststellung.

Für den Abschnitt zwischen Am Nordbahnhof und Chausseestraße wird von nur 51 Anwohnern ausgegangen, von denen nur 5 der Südseite zugeordnet werden. Dabei wurde offenbar nicht berücksichtigt, dass für diesen Bereich eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus auf den Grundstücken Invalidenstraße 116, 117 vorliegt, das allein ein Mehrfaches der angegebenen Zahl von Anwohnern beherbergen soll.

Vor allem aber wurde nicht berücksichtigt, dass auch die in den betroffenen Straßen arbeitenden Personen schutzwürdig sind, das alleinige Abstellen auf die Anwohner im Sinne von dort wohnenden Personen also zu einer Fehlbewertung – und im übrigen auch zu einem deutlichen Widerspruch zu den Wertungen der schalltechnischen Berechnungen führt. In den gerade angeführten Abschnitten arbeiten auch eine Vielzahl von Personen. Sie verbringen dort einen Großteil ihrer Lebenszeit und sind den Immissionen ausgesetzt. Sie müssen bei einer Variantenbetrachtung, die eine Grob-Bewertung von auch für die spätere Planfeststellung maßgeblichen Kriterien vornimmt, mit berücksichtigt werden.

Die Fehler wirken sich auf das Ergebnis der Variantenbetrachtungen aus: Mit den Anwohnerzahlen werden die Belastungen berechnet und gegenübergestellt.

Die Belastungsberechnungen gehen zudem von anderen Wertungen aus als die schalltechnischen Berechnungen zur Planfeststellung und vollziehen die normativen Wertungen der 16.BImSchV nicht nach. Die Lärmbelastungsberechnungen etwa stellen auf eine Lärmerhöhung von 3 dB(A) ab. Dieses Kriterium findet sich – als Abgrenzung zur wesentlichen Änderung – auch in der 16.BImSchV. Dort findet sich allerdings ein zweites Kriterium für die gleiche Abgrenzung: die Steigerung der Lärmbelastung auf oder über 70/60 dB(A) tags/nachts. Dieses zweite Kriterium ist aber insbesondere für den Bereich Invalidenstraße relevant, da hier die Belastung bereits heute diese Werte erreicht und überschreitet.


Die Variantenuntersuchungen sind darüber hinaus fehlerhaft, weil einzelne – sich geradezu aufdrängende – Varianten gar nicht geprüft wurden.

So hätte als naheliegenste Variante eine „Null-Plus-Variante“ geprüft werden müssen, die Führung des Kfz-Verkehrs zweispurig über die Invalidenstraße mit einem eigenen Gleisbett für die Straßenbahn. Eine solche Variante ist von besonderem Interesse, weil mit ihr offensichtlich die verkehrlichen Ziele für die Straßenbahn deutlich besser erreicht werden können, während beim Kfz-Verkehr eventuell Abstriche an der angestrebten Verkehrsfunktion hinzunehmen wären. Nur eventuell hinzunehmen sind solche Einschränkungen, weil das Funktionieren der Planfeststellungsvariante in verkehrlicher Hinsicht bis heute nicht durch eine Simulation nachgewiesen wurde und daran erhebliche Zweifel bestehen, da die Kreuzung Chausseestraße/Invalidenstraße heute wie künftig den Engpass auf dieser Strecke darstellen wird. Der Engpass wird aber auch mit der Planung nicht beseitigt. Man erlaubt mit einer vierspurigen Straßenführung lediglich mehr Kfz das Aufstellen vor der Kreuzung – mit der Folge, dass die Straßenbahn behindert wird. Gerade in einer solchen Situation drängt es sich auf, dass durch eine Simulation ermittelt werden muss, ob überhaupt und mit welchem Maß an Einbussen bei einer zweispurigen Führung des Kfz-Verkehrs durch die Invalidenstraße zu rechnen ist.

Es wird daher beantragt,

dem Vorhabenträger aufzugeben, eine Simulation der Verkehrsabläufe für die Planfeststellungsvariante und für eine Variante mit einer zweispurigen Führung des Kfz-Verkehrs durch die Invalidenstraße und gesondertem Gleisbett für die Straßenbahn durchzuführen und dem Unterzeichneten die Ergebnisse zu übermitteln.


Nicht geprüft wurde auch die naheliegende Variante einer Führung in Ost-West-Richtung über Julie-Wolfthorn-Straße, Zinnowitzer Straße, Chausseestraße, westliche Invalidenstraße und in West-Ost-Richtung über die Invalidenstraße mit Anbindung an die Bernauer Straße über Am Nordbahnhof (oder – mit deutlich höheren Lärm- und Schadstoffbetroffenheiten - Caroline-Michaelis-Straße) und Julie-Wolfthorn-Straße.


Schließlich leidet die Variantenuntersuchung darunter, dass die von der Bürgerinitiative Invalidenstraße favorisierte Variante „falsch verstanden“ und über die Gartenstraße gelegt wurde, was zu einer erheblich schlechteren Bewertung als bei der eigentlich von der BI vorgeschlagenen Variante führte. Auf die Einwendungen der Herren Griffin und Kimmerle erlauben wir uns, insoweit zu verweisen.


2    Vorzugswürdige Varianten nicht bzw. nicht ausreichend und fehlerhaft geprüft

In den Planfeststellungsunterlagen sind eine Reihe von Varianten bzw. Alternativen zur ausgelegten Planung nicht, andere nicht ausreichend bzw. unter fehlerhaften Annahmen geprüft worden.

An dieser Stelle wird zunächst geltend gemacht, dass schon die Ausgangsüberlegungen, die zur Festlegung der Führung des sogenannten Inneren Rings geführt haben, fehlerbehaftet waren. In einem von der Staatssekretärin Krautzberger unterzeichneten Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 5.August 2004 heißt es dazu:

„Im Sinne dieses Verkehrskonzeptes wurde deshalb für den Bereich Nordbahnhof – Invalidenstraße ein neues Planungskonzept entworfen. Statt der ursprünglich vorgesehenen Führung des Inneren Rings zwischen Bernauer Straße und Invalidenstraße über die Habersaathstraße, die aufgrund bezirklicher Bedenken wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen der Anwohner in der Habersaathstraße aufgegeben wurde, wird nunmehr eine direkte Verbindung zwischen Bernauer Straße und Invalidenstraße über das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs hergestellt werden.“

Ähnliche Formulierungen finden sich in den Planfeststellungsunterlagen für den Straßenbahnneubau Invalidenstraße von Chausseestraße bis Alt-Moabit (Verfahren eingestellt).

Bezirkliche Bedenken können eine sorgfältige Prüfung und Abwägung von möglichen Alternativtrassen nicht ersetzen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat zwar zwischenzeitlich die Alternativenprüfung durch umfangreiche Untersuchungen nachgebessert, war aber nie bereit, die schon vor Jahren ohne Alternativenprüfung gefundene Straßenführung des Inneren Rings über die Invalidenstraße ernsthaft in Frage zu stellen. So wurden denn auch in den nachgeholten Untersuchungen die Betroffenheiten in der Invalidenstraße stark unterbewertet, während die Betroffenheiten in anderen Straßen ungleich höher gewichtet wurden. An die konzeptionellen Überlegungen (tangentiale Ableitung) hat man sich im Zuge der Alternativenprüfungen gar nicht mehr herangewagt. Zwischenzeitlich konkretisierte andere Planungen wurden trotz des möglichen Vorrangs der Straßen-Fachplanung nicht mehr angetastet (Planung ehemaliges Stadion der Weltjugend/ BND-Gelände).


2.1

Dem schon erwähnten Konzept der tangentialen Ableitung des Kfz-Verkehrs dient allein eine Variante, die den Verkehr vom Hauptbahnhof/Tiergartentunnel in Richtung Nordosten über die Heidestraße, Sellerstraße, Müllerstraße, Chausseestraße, Liesenstraße, Gartenstraße, Bernauer Straße oder eine ähnliche Verkehrsführung ableitet.


2.2

Nicht geprüft wurde eine sich als „kleine Nordumfahrung“ aufdrängende Variante Julie-Wolfthorn-Str., Zinnowitzer Str. bzw. weiter nördlich, BND-Gelände, Querung des Kanals mit Brücke, Heidestraße, Minna-Cauer-Straße.

Die fehlende Prüfung ist bemerkenswert, weil eine deutlich aufwändigere Tunnellösung und eine die Wohnbebauung an der Habersaathstraße deutlich stärker belastende kleine Nordumfahrung als Variante 3 geprüft wurde. Die Nachteile, die zum Ausscheiden dieser Variante geführt haben, sind aber vermeidbar. So könnte die Trasse nördlich der Habersaathstraße auf dem Gelände des ehemaligen Stadion der Weltjugend, dem künftigen BND-Gelände verlaufen, wo aktiver Lärmschutz möglich ist, die Flächen weitgehend auch bei der derzeitigen Planung der Gebäude auf dem BND-Gelände frei gehalten sind und die Habersaathstraße sogar noch stärker von Durchgangsverkehr verschont werden könnte, als bei der Planfeststellungsvariante. Eine oder sogar mehrere Querungen des westlich gelegenen Kanals werden im Zuge der dort vorgesehenen Neuplanung der Bebauung ohnehin vorgesehen, so dass sich eine Führung der Straße über eine Brücke geradezu aufdrängt und die hohen Kosten einer Tunnel-Variante mindert.


2.3

Wie bereits erwähnt wurde ebenfalls versäumt, eine Variante mit Führung des Kfz-Verkehrs über die Invalidenstraße in West-Ost-Richtung mit Anbindung Am Nordbahnhof (oder – mit deutlich höheren Lärm- und Schadstoffbetroffenheiten - Caroline-Michaelis-Straße) und Julie-Wolfthorn-Str., Zinnowitzer Str., Chausseestraße, Invalidenstraße in Ost-West-Richtung und mit einer gesonderten Straßenbahntrasse zu prüfen.

Eine solche Variante wäre gewissermaßen die kleinste Nordumfahrung und würde insbesondere die extrem hohen Grenzwertüberschreitungen in dem Abschnitt der Invalidenstraße zwischen Am Nordbahnhof und Chausseestraße deutlich senken. Die Anzahl der Betroffenen in der Zinnowitzer Straße und dem kleinen Abschnitt der Chausseestraße scheint deutlich geringer und die Belastungsverteilung würde zu nicht ganz so hohen Unzuträglichkeiten führen. Sie würde es zudem ohne aufwändigen Umbau erlauben, den Verkehr bereits über die Straße Am Nordbahnhof nach Norden abzuleiten und damit das Seniorenheim, das Hotel und die Häuser zur Eichendorffstraße wie auch die Grünanlage deutlich weniger zu belasten. Lediglich im Bereich der Einmündung zur Julie-Wolfthorn-Straße sind dann aufwändigere Umbauten erforderlich.


2.4

Zu den fehlerhaften Annahmen gehört die Abwägungsrelevanz der bereits im Zuge der Realisierung des Bebauungsplans I-52a des Bezirksamts Mitte von Berlin weitgehend hergestellte Einmündung der Caroline-Michaelis-Straße in die Invalidenstraße, die erst auf Intervention der Anwohner 2004/2005 nicht vollständig hergestellt wurde. Die annähernd vollständige Herstellung dieser Einmündung in die Invalidenstraße stellt für die Variantenprüfung im Planfeststellungsverfahren entgegen früherer Aussagen nun doch einen gewichtigen Belang in der Abwägung dar.

In einem Schreiben vom 9.8.2005 teilte der Straßenbaulastträger, Abt. X der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, dem Bezirksamt Mitte von Berlin mit, die Festsetzung des Bebauungsplans I-52a im Einmündungsbereich zur Invalidenstraße habe „keinen unmittelbaren Einfluss auf die Abwägung der Varianten für die Verkehrsverbindung in Vorbereitung auf die Planfeststellung“.

Bei Durchsicht der Planfeststellungsunterlagen und „beigestellten“ Ordner ergibt sich nun aber der Eindruck, dass die Festsetzung der mit vier Fahrspuren und einem Mittelstreifen sehr breiten Caroline-Michaelis-Straße im Bebauungsplan I-52a doch erheblichen Einfluss auf die Abwägung bei der Variantenprüfung hatte.


2.5

Wird an der Einbindung der Invalidenstraße zwischen Chausseestraße und Nordbahnhof in die Ausbauplanung auch für den Kfz-Verkehr festgehalten, dann ist eine Anbindung des „kleinen Innenstadtrings“ über die Straße Am Nordbahnhof eindeutig vorzugswürdig gegenüber einer Anbindung über die Caroline-Michaelis-Straße. In einem Schreiben der Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Frau Krautzberger, an Herrn Dr. Loyal vom 24.11.2006 und in einem Schreiben der Senatorin an den gleichen Adressaten vom 12.12.2006 heißt es zu der zu diesem Zeitpunkt bereits verwaltungsintern abgeschlossenen Variantenprüfung insoweit:

„Die Untersuchung der Variante „Straße Am Nordbahnhof“ ergab, dass deren technische Machbarkeit hinsichtlich der Abbiegeradien für Lkw-Schleppkurven nur durch den Abriss eines sechsgeschossigen Wohn- und Geschäftsgebäudes (Eckgebäude Invalidenstraße 107/ Am Nordbahnhof 1) möglich wäre. Werden dem Knotenpunktsausbau jedoch die vorhandenen Straßenflächen zu Grunde gelegt, ist die Knotenpunktsleistung gegenüber der Anbindung Caroline-Michaelis-Straße deutlich geringer einzuschätzen. Für die Gebäude südlich der Invalidenstraße treten auch bei dieser Variante erhebliche Lärmgrenzwertüberschreitungen auf, so dass passive Lärmschutzmaßnahmen in jedem Fall geprüft und soweit berechtigt auch finanziert werden müssen.“

Diese Annahmen sind falsch, was hier zunächst fristgerecht nur kursorisch dargestellt werden soll, wozu im Laufe des Verfahrens aber noch ergänzend und vertiefend vorgetragen wird:

  • Die Abbiegeradien für Lkw-Schleppkurven sind unter Erweiterung des vorhandenen Straßenraums in Richtung Osten auch ohne Abriss des Eckgebäudes zu erreichen.
  • Wird eine Einbahnstraßenlösung gewählt, in der der Kfz-Verkehr Richtung Osten über die Invalidenstraße, in Richtung Westen hingegen über die Julie-Wolfthorn-Straße und Zinnowitzer Straße auf die Chausseestraße geführt wird, so sind die Abbiegeradien für Lkw-Schleppkurven bereits vorhanden. Eines aufwändigen Umbaus bedürfte es nicht.
  • Die Knotenpunktsleistung ist für sich genommen kein geeignetes Kriterium, um Varianten abzuwägen. Entscheidend kann stets nur sein, ob die jeweilige Knotenpunktsleistung der Leistung des Verkehrswegs insgesamt noch entspricht. Anders ausgedrückt: ein besonders leistungsfähiger Knoten Caroline-Michaelis-Straße/Invalidenstraße nützt überhaupt nichts, wenn der Verkehr vor dem Knotenpunkt mit der Chausseestraße im Stau steht.
  • Eine ausreichende Kontenpunktsleistungsfähigkeit auch eines Knotenpunkts Am Nordbahnhof/Invalidenstraße kann hergestellt werden. Insoweit wird hier zunächst auf die sachverständige Stellungnahme des BUND Berlin im Planfeststellungsverfahren Bezug genommen und diese insoweit zum Gegenstand auch dieser Einwendung gemacht. Die Sachverständigen des BUND haben dargelegt, dass und wie hier eine ausreichende Leistungsfähigkeit hergestellt werden kann.
  • Richtig ist zwar, dass auch bei einem Knotenpunkt an der Straße Am Nordbahnhof an den Häusern südlich der Invalidenstraße noch erhebliche Grenzwertüberschreitungen auftreten. Diese Erkenntnis ist aber banal und nicht zielführend, da bei jeder Realisierung eines solchen innerstädtischen Verkehrsbauvorhabens Lärmgrenzwertüberschreitungen auftreten. Maßgeblich kann insoweit nur sein, in welchem Umfang Lärmzusatzbelastungen durch an der Wohnbebauung vermieden werden können. Durch eine Anbindung der Invalidenstraße über die Straße Am Nordbahnhof wären aber in ganz erheblichem Umfang Lärmzusatzbelastungen zu vermeiden. Die stark belasteten Wohngebäude Invalidenstraße 123, 124, Eichendorffstraße 12, 13 wären von eines vorhabensbedingten spürbaren Zusatzbelastung verschont. Das Honigmond Garden Hotel in der Invalidenstraße 122, zugleich Wohnhaus, wäre ebenfalls zumindest weitgehend von vorhabensbedingten Zusatzbelastungen verschont. Von dem besonders schützenswerten Seniorenheim Invalidenstraße 120/121 wäre zumindest die Nord-Ost-Seite, das Haus Nr. 121, deutlich geringer belastet. Die Anbindung würde das Haus „nur noch“ (aber noch immer unzumutbar und schwer und unerträglich) am nordwestlichen Rand tangieren. Für diese drei Hauskomplexe mit hunderten Bewohnern und Gästen würde eine solche Variante eine deutliche Entlastung mit sich bringen!

Eine Variante der Anbindung der Invalidenstraße über die Straße Am Nordbahnhof ist vor diesem Hintergrund sowohl bei einer Einbahnstraßenlösung unter Einbeziehung der Julie-Wolfthorn-Straße/ Zinnowitzer Straße/Chausseestraße wie auch bei einer Kfz-Verkehrsführung nur über Invalidenstraße eindeutig vorzugswürdig.


2.6

Durch eine Optimierung der Umweltverträglichkeit der beiden geplanten Verkehrswege ist eine weitere eindeutig vorzugswürdige Alternative zu realisieren.

Die Bezirksverordnetenversammlung des Bezirks Mitte hat das Bezirksamt in dem Beschluss DS-Nr.: 1696/II vom 17.02.2005 aufgefordert, sich gegenüber dem Senat für die Anliegen der Bürger in der Invalidenstraße und der Bürgerinitiative einzusetzen. Zusätzliche Belastungen durch den Ausbau der Invalidenstraße sind danach zu vermeiden, besonders bei der Einmündung des „kleinen Innenstadtrings“ in die Invalidenstraße.

Das Bezirksamt Mitte hat in seinem Bericht dazu vom 05.02.2007 mitgeteilt, dass bei Realisierung der Senatsplanungen insbesondere die tangentiale Ableitung des Verkehrs gefördert werden und das Verkehrsaufkommen in der Invalidenstraße begrenzt werden müsse.

Diese Ziele sind mit einer weitestgehend durchgängig vierspurigen Kfz-Verkehrsführung durch die Invalidenstraße nicht zu gewährleisten.

Die Planfeststellungsunterlagen zeigen mit den angefertigten Gutachten zur Verkehrslärmbelastung, zur Belastung durch Schadstoffe sowie Erschütterungen und Körperschall auf, wie eine verträgliche und unter Berücksichtigung aller abwägungsrelevanten Belange vorzugswürdige Lösung für die Verkehrsführung in der Invalidenstraße aussehen müsste:

Der Kfz-Verkehr kann nur durchgängig einspurig je Richtung geführt werden, um eine zwar Grenzwerte überschreitende, die derzeitige Belastungssituation aber nicht extrem verschärfende und zu Gesundheitsgefahren und schweren und unerträglichen Eigentumsbeeinträchtigungen führende Situation zu schaffen.

Der Straßenbahnverkehr muss durchgängig in eigenem Gleisbett mit einem Rasengleis geführt werden. Das gewährleistet eine deutlich bessere Verkehrsqualität des Straßenbahnverkehrs als die in den ausgelegten Planunterlagen dargestellte Situation. Die Straßenbahn kann damit eine zumutbare Geschwindigkeit erreichen, die deutlich über den für die Planfeststellungsvariante errechneten 8,4 km/h liegt. Das eigene Gleisbett ermöglicht – bis auf die Kreuzungsbereiche – die Einbettung in ein Rasenbett. Ein solches wiederum führt nach dem schalltechnischen Gutachten (vgl. Tabelle C in Anlage 2 zur 16.BImSchV) zu einer Minderung des von der Straßenbahn ausgehenden Lärms um 7 dB(A), der äußerst beachtlich ist und bei den meisten Immissionsorten zu einer Einhaltung der Grenzwerte zumindest durch den Straßenbahnlärm führt und damit zugleich die Gesamtbelastung erheblich mindert.

Hinzu kommt, dass ein Rasenbett auch geeignet erscheint, die Schadstoffbelastung besonders in der engen Straßenschlucht östlich und westlich der Chausseestraße erheblich zu mindern. Es hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass Bepflanzungen die Luftschadstoffbelastung in einem für die Planfeststellung relevanten Umfang zu senken geeignet sind. In Planfeststellungsverfahren werden bereits Schutzpflanzungen als effektive Schutzmaßnahmen gegen Luftschadstoffe empfohlen. In Versuchen zeigte sich, dass eine Bepflanzung von Mittelstreifen erheblich zur Minderung der Luftschadstoffbelastung beiträgt.

Vor dem zuletzt geschilderten Hintergrund ist auch allein die hier als vorzugswürdig dargestellte Variante geeignet, eine mit dem Grundrecht auf Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und dem Eigentumsgrundrecht vereinbare Situation herzustellen, indem sie die Schadstoffbelastung in der Invalidenstraße verringert anstatt sie zu erhöhen.

Mit der hier zuletzt als vorzugswürdig dargestellten Variante können die Projektziele bei zutreffender Gewichtung aller betroffenen Belange in höherem Maße erreicht werden als bei der in den Planfeststellungsunterlagen favorisierten Variante, denn

  • die Verkehrsverbindung zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof kann mit der Straßenbahn in deutlich höherer Qualität gegenüber der Planfeststellungsvariante hergestellt werden;
  • die Durchlässigkeit der Invalidenstraße für den Kfz-Verkehr wird gegenüber der Planfeststellungsvariante etwas eingeschränkt, was zur Erreichung der Umweltverträglichkeit der Verkehrsführung aber zwingend erforderlich und daher hinzunehmen ist;
  • die hohen Lärmgrenzwertüberschreitungen können – was den Straßenbahnverkehrslärm angeht – weitgehend vermieden werden;
  • die extrem hohen Lärmgrenzwertüberschreitungen aus dem Straßenverkehrslärm fallen etwas geringer aus;
  • die Gesamtlärmbelastung sinkt durch die deutliche Senkung der Emissionen der Straßenbahn insbesondere nachts sehr deutlich;
  • bei der Schadstoffbelastung kann nicht nur ein Anstieg vermieden werden, die Situation kann sogar verbessert werden, womit zugleich der Tatsache Rechnung getragen wird, dass eine Grenzwertüberschreitung derzeit als Überschreitung der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung und damit auch zur schweren und unerträglichen Beeinträchtigung des Eigentums zu werten ist

Die hier als vorzugswürdig dargestellte Variante vermeidet grundrechtswidrige Zustände. In seinem Urteil vom 21. März 1996

-    BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1, 10 -

hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, der Staat verstoße gegen seine grundrechtliche Schutzpflicht, wenn er es zulasse, „dass durch den Bau oder durch die wesentliche Änderung eines öffentlichen Verkehrswegs eine die menschliche Gesundheit gefährdende Verkehrslärmbelastung entsteht, und sei es auch nur durch die Erhöhung einer bereits vorhandenen Vorbelastung“. Eine in der Planfeststellung zu befolgende grundrechtliche Pflicht, Schutzvorkehrungen zu treffen, setzt hiernach eine Kausalität zwischen dem Bau bzw. der Änderung des Verkehrswegs und der gesundheitsgefährdenden Verkehrsbelastung voraus.

-    BVerwG, Beschluss vom 15.Januar 2008 – 9 B 7.07 –

Vorliegend ist eine solche Kausalität in der Planfeststellungsvariante auch gegeben. Die bereits in gesundheitskritischen und eigentumsgefährdenden Bereichen liegende Vorbelastung bei Lärm und Luftschadstoffen wird durch die Planung noch einmal erhöht, wobei insbesondere der Ausbau der Straße auf vier Spuren sich belastungserhöhend auswirkt.

Gesundheitsgefährdend ist die Luftschadstoffbelastung, da die derzeit geltenden Grenzwerte überschritten werden und diese Grenzwerte als normative Grenzziehung zur Gesundheitsgefährdung zu verstehen sind.

-    vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.September 2007 – 7 C 36.07 – m.w.N. –

Im gesundheitskritischen Bereich liegen auch die Verkehrslärmbelastungen, die hier Werte tags deutlich über 70, sogar über 75 dB(A) und bis zu 80 dB(A) erreichen und nachts deutlich über 65 dB(A) und sogar deutlich über 70 dB(A).

Eine vorhabensbedingte Zusatzbelastung ist für beide Belastungsquellen in den einschlägigen Fachgutachten der Planfeststellungsunterlagen ausgewiesen.

Die Voraussetzungen, unter denen der Staat gegen seine grundrechtliche Schutzpflicht verstößt, wenn er eine solche Planung genehmigt und umsetzt, liegen mithin bei der Planfeststellungsvariante vor.

Unter Berücksichtigung dieser grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates ist daher die einwenderseitig favorisierte Variante eindeutig vorzugswürdig und – anders als die Planfeststellungsvariante – auch zulassungsfähig.


2.7

Es wird eine stadt- und umweltverträgliche Alternative gefordert, die die Verkehrsverhältnisse insgesamt wie auch die Straßenverhältnisse in der Invalidenstraße ebenso verbessert, wie die Umweltsituation in diesem hoch belasteten Bereich.

Eine solche Alternative ist möglich etwa durch die Kopplung eines Straßenausbaus auf zwei durchgängige Fahrbahnen, die Anlage eines durchgängig (bis auf Kreuzungen/Einmündungen) gesondert als Rasen- oder „Moos-„Gleis angelegten Straßenbahnbereichs und begleitende Maßnahmen des Einbaus eines lärmmindernden Asphalts und verkehrslenkender Maßnahmen. Lärmmindernder Asphalt wird inzwischen auch in innerstädtischen Bereichen mit Erfolg erprobt und müsste gerade in so hoch vorbelasteten Bereichen zum Einsatz kommen. Verkehrslenkende technische Maßnahmen werden ebenfalls in einer ganzen Reihe von Vorhaben auch für den innerstädtischen Bereich erprobt. Das Beispiel der Verkehrslenkung auf der Leipziger Straße ist durch eine Vielzahl von Presseberichten allgemein bekannt.

Zu erwägen wäre zusätzlich die Begrenzung der Geschwindigkeit zumindest in sensiblen Abschnitten auf 30 km/h. Ein schnellerer Verkehrsfluss ist ohnehin kaum vorhanden. Geschwindigkeitsbeschränkungen werden auch zur Verstetigung des Verkehrsflusses und damit verbunden zur Verminderung der Belastung eingesetzt und können dabei zugleich der Erhöhung der Kapazität einer innerstädtischen Straße dienen.