Bereits bei der Beschreibung der Vorgeschichte der Planung (Seite 9) fehlt der Hinweis auf die vorher geplante Trassenführung über die Habersaathstraße, auf den gescheiterten Versuch einer Anbindung der Invalidenstraße an den kleinen Innenstadtring ohne Planfeststellungsverfahren und auf das bereits vor Jahren eingestellte Planfeststellungsverfahren für die Herstellung der Straßenbahnverbindung zwischen Chausseestraße und Hauptbahnhof.
Enttäuschend ist, dass sich der Erläuterungsbericht nicht mit dem betroffenen und durch die Planung schwer beeinträchtigten Umfeld – also mit der konkreten Nutzung in der Invalidenstraße, der Wohnnutzung, der gewerblichen Nutzung und Büronutzung etc. – auseinandersetzt. Auch unter der Überschrift „3.8 Projektumfeldanalyse“ finden sich insoweit keine Aussagen. Dadurch ist die Nutzung der Invalidenstraße für das tägliche Leben der Anwohner und der dort Beschäftigten nicht hinreichend in den Abwägungsprozess eingeführt. Dies gilt für die Freizeitnutzungen im Bereich der Museen und der Spiel- und Grünflächen ebenso wie für die geschäftlichen Nutzungen. Beide sind aber insbesondere durch die extrem hohen Lärm- und Schadstoffbelastungen sehr empfindlich in ihrer Funktion beeinträchtigt.
So führt das ganztägige Ausgesetztsein gegenüber grenzwertüberschreitenden Luftschadstoffbelastungen bei den Beschäftigten von Geschäften und Cafés entlang der Chausseestraße zu einer statistisch deutlichen Senkung ihrer Lebenserwartung. Schutzmaßnahmen sind effektiv nicht möglich. Sie verbringen dort viele Jahre ihres Arbeitslebens. Dies ebenso wie die Gefährdung einzelner Nutzungen entlang der Invalidenstraße durch die Planung müsste aber in einer ordnungsgemäßen Abwägung einen breiten Raum einnehmen. So liegt es etwa auf der Hand, dass das Honigmond Garden Hotel, welches nach der Planung direkt an einer lichtzeichengeregelten Einmündung liegen soll, künftig durch Lärm- und Schadstoffbeeinträchtigungen ebenso wie durch die - in der Planfeststellung nicht weiter betrachteten – Lichtimmissionen erheblich in seiner Funktion beeinträchtigt sein wird und voraussichtlich nicht überleben können wird, da die Hotelzimmer im Vorderhaus nicht zu angemessenen Bedingungen vergeben werden können. Ebenso liegt es auf der Hand, dass die Existenz eines besonders schutzwürdigen Objektes wie des Seniorenwohnheims an einer lichtzeichengeregelten Einmündung einer innerstädtischen Hauptverkehrsstraße als Bestandteil des „kleinen Innenstadtrings“ nicht ohne weiteres auf Dauer gesichert werden kann.
Diese wie auch andere aktuelle Nutzungen in der Invalidenstraße sind gefährdet. Es handelt sich dabei um Nutzungen, die sich erst in den letzten Jahren entwickelt haben und ganz überwiegend zu einer Zeit begonnen wurden, als von der Planung des kleinen Innenstadtrings in der breiten Öffentlichkeit noch nicht die Rede war. Die Investoren fühlen sich insoweit sogar getäuscht, da der Flächennutzungsplan ursprünglich eine andere Trassenführung für den kleinen Innenstadtring vorsah, da die Bauschilder auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs nicht erahnen ließen, dass hier ein Teil des kleinen Innenstadtrings gebaut würde etc..
Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt der Planung kommt im Erläuterungsbericht zu kurz: Die Realisierbarkeit der verkehrlichen Ziele des Vorhabens. Den betroffenen Anwohnern ist aus der täglichen Erfahrung bekannt, dass in der Invalidenstraße bereits heute der gemeinsame Verkehr von Straßenbahn und Kfz zu erheblichen Verkehrsbehinderungen führt. Die heutige Belastung wird aber nur mit etwa 10.000 Fahrzeugen in der Invalidenstraße östlich der Chausseestraße bei gemischtem Verkehr Straßenbahn/Kfz-Verkehr angegeben. Im Planfall wird von einer Belastung von etwa 30.000 Kfz auf dieser Straße ausgegangen und der Zusatzbelastung mit einer zusätzlichen Straßenbahnlinie zum Hauptbahnhof. Wie das funktionieren soll ohne erhebliche Verkehrsbehinderungen ist dem Erläuterungsbericht nicht zu entnehmen. Insoweit lassen lediglich die Reisezeitenangaben (Seite 16) den Rückschluss zu, dass hier eine Planung vorgelegt wird, die verkehrlich mit erheblichen Defiziten belastet ist. Eine erste überschlägige Berechnung ergab eine durchschnittliche Geschwindigkeit der Straßenbahn von 8,4 km/h. Dass für eine solch schlechte Verbindungsqualität Straße wie Straßenbahn völlig neu gebaut werden und nachher Kfz- wie auch Straßenbahnverkehr im Stau stehen und beide Funktionen erheblich beeinträchtigt sind, ist nicht hinzunehmen, umso mehr als diese verkehrlich kaum funktionierende Planung mit hohen Grenzwertüberschreitungen im Bereich der Luftschadstoffe und des Lärms „erkauft“ wird.
Aus den Darstellungen zur Variantenauswahl geht nicht hervor, dass die gesamten Variantenausbauuntersuchungen letztlich zu keiner Änderung der Planung führten, also der Bestätigung der ursprünglichen Planungsabsichten des Vorhabensträgers dienten. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass die Varianten nicht wirklich ernsthaft überprüft wurden und die Variante einer vierspurigen Führung des Kfz-Verkehrs unter Vermischung mit dem Straßenbahnverkehr durch die Invalidenstraße mit der Anbindung Karoline-Michaelis-Straße von vornherein feststand. Näheres zu den Varianten wird in einem gesonderten Abschnitt eingewandt.
Bei der Schilderung betroffener Anlagen Dritter (Seite 35, 36) fehlt sowohl die Bebauung auf dem ehemaligen Nordbahnhofsgelände (B-Plan I-52a), wie auch die bereits genehmigte Bebauung in der Invalidenstraße 116- 119, die durch das Vorhaben mit seiner Verdreifachung des Kfz-Verkehrs und Versiebenfachung des Lkw-Verkehrs gefährdet ist. Den Ausführungen zur Umweltverträglichkeit des Vorhabens (Seite 38-45) ist entschieden entgegen zu treten, was hier in der Einwendung zunächst nur beispielhaft geschehen soll:
- Die Behauptung, durch Maßnahmen der Lärmvorsorge sei sichergestellt, dass Menschen in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen keinen Beeinträchtigungen ausgesetzt sind (Seite 41), ist nicht haltbar. Insbesondere die ganztägig in den Geschäften entlang der Invalidenstraße beschäftigten Personen können durch passive Schutzmaßnahmen nicht geschützt werden. Alle anderen können nur unzureichend geschützt werden. Der Schutz entfällt nicht nur beim Öffnen der Fenster, sondern auch bei Nutzung von Balkonen und Terrassen, Hofinnenbereichen etc.. Gegen Grenzwertüberschreitungen bei Luftschadstoffen ist kein effektiver Schutz möglich. Insbesondere die hohen Stickstoffdioxidgrenzwertüberschreitungen können nicht ohne weiteres durch Filter beseitigt werden. Auch insoweit gilt aber, dass insbesondere die Geschäftsräume des Einzelhandels entlang der Invalidenstraße, die Gastronomieräume etc. gar nicht geschützt werden können.
- Damit ist aber die Grundannahme, dass das Schutzgut Mensch nicht in einem absolut unvertretbaren Maße beeinträchtigt wird, falsch.
- Auch die Lichteinwirkungen werden nicht bzw. nicht zutreffend bewertet. So ist etwa das Honigmond Garden Hotel in der Invalidenstraße 122 durch direkt auf das Hotel zukommenden Verkehr einer Hauptverkehrsstraße erheblich durch Lichtimmissionen beeinträchtigt. Die Aufenthaltsräume des Hotels befinden sich zum Teil im Souterrain, das zukünftig in unvertretbarem Maße den Lichtimmissionen von der Caroline-Michaelis-Straße ausgesetzt sein wird. Effektive Schutzmaßnahmen sind hier kaum möglich, da Aufenthaltsräume ohne Tageslicht nicht akzeptiert werden.
- Die starken Beeinträchtigungen der freizeitgenutzten Außenbereiche etwa im Bereich der „Plansche“ an der Eichendorffstraße oder bei den Vorgärten der Museen ist völlig unzureichend. Die Menschen sind hier gesundheitsgefährdenden Belastungen ausgesetzt. Schutzmaßnahmen werden nicht erwogen.
- Enttäuschend sind insbesondere auch die Ausführungen zur Bewältigung der extrem hohen Lärmgrenzwertüberschreitungen, der extrem hohen Luftschadstoffgrenzwertüberschreitungen und der Belastungen durch Erschütterungen und Körperschall. Hierauf wird in gesonderten Abschnitten näher eingegangen.
Beim Erläuterungsbericht ist jedoch darauf einzugehen, dass im Rahmen des Vorhabens eine stadt- und umweltverträglichere Variante des Vorhabens überhaupt nicht erörtert wird: Die gesonderte Führung der Straßenbahn in eigenem Gleisbett als Rasengleis oder „Moosgleis“ mit Filterfunktion nicht nur für Lärm (extreme Lärmminderung in Höhe von 7 dB (A) durch Rasengleis) sondern auch im Bereich der Luftschadstoffe, unter gleichzeitiger Führung des Kfz-Verkehrs auf zwei Spuren durch die Invalidenstraße (eine Spur je Richtung oder Einrichtungsverkehr) und damit – wie etwa auch vom Bezirk Mitte gefordert – Begrenzung des Verkehrsaufkommens auf ein evtl. noch stadt- und umweltverträgliches Maß. Das dreifache des heutigen Kfz-Verkehrsaufkommens und das siebenfache des Lkw-Aufkommens ist in der Invalidenstraße schlicht nicht unterzubringen!