Bürgerinitiative Invalidenstraße



Vom Erläuterungsbericht zu dem Teilvorhaben Straßenbau sollte man die Erläuterung erwarten, ob und wie die prognostizierten Verkehrsmengen auf dem Verkehrsweg abgewickelt werden können. Der Erläuterungsbericht leistet das jedoch nicht.

Allen Anwohnern und Verkehrsteilnehmern, die diesen Bereich zur Tageszeit benutzen, ist bekannt, dass der Knotenpunkt der Chausseestraße/Invalidenstraße bereits heute einen Punkt ist, an dem sich der Kfz-Verkehr häufig über längere Strecken staut. Aus dem Erläuterungsbericht (S. 5) ergibt sich, dass im Bereich zwischen Caroline-Michaelis-Straße und Chausseestraße auf insgesamt 12 m Breite Fahrstreifen mit integriertem Straßenbahngleis geplant sind. Bei einer vierspurigen Ausführung der Straße verbleiben für jede Spur 3 m, wobei die Straßenbahn dann keine eigene Spur mehr hat und mit dem Kfz-Verkehr im Stau steht. Aus dem Erläuterungsbericht (insbesondere S. 8-11) ergibt sich weiter, dass auf der relativ kurzen Strecke, die zur Planfeststellung gestellt wird, insgesamt wohl 10 Lichtsignalanlagen geplant sind. Zu den vorhandenen Lichtsignalanlagen an den Knoten Gartenstraße, Chausseestraße, Hessische Straße, Luisenstraße und Friedrich-List-Ufer kommen zusätzliche Lichtsignalanlagen an den Anbindungen des Schwarzen Weges und der Scharnhorststraße, die zentrale Einbindung des inneren Rings auf die Invalidenstraße in Höhe der Caroline-Michaelis-Straße als lichtsignalgeregelte Anbindung und die Anbindung der Gleisanlagen am Vorplatz des Hauptbahnhofes sowie der lichtsignalgeregelte Geh- und Radwegübergang an der Sandkrugbrücke. Dass auf einer vierspurigen Hauptverkehrstraße durch zehn Lichtsignalanlagen auf dieser Länge und die teilweise gemeinsame Trassenführung mit der Straßenbahn massive Behinderungen für den Kfz-Verkehr wie auch für den Straßenbahnverkehr entstehen, liegt auf der Hand.

Erste Ermittlungen haben ergeben, dass die Straßenbahn unter dieser Situation leiden wird und eine durchschnittliche Geschwindigkeit von nur 8,4 km/h erreicht. Eine solche Qualitätsminderung ist bei einer neuen Straßenbahnstrecke auf keinen Fall hinzunehmen.

Zu welchen Verkehrsbehinderungen es für den Kfz-Verkehr kommt, bleibt offen.

Es muss die Frage beantwortet werden, ob das zur Planfeststellung gestellte Vorhaben überhaupt verkehrlich funktioniert und zu welchen Qualitätseinbußen die vorgesehene Installation so vieler Lichtsignalanlagen und die vorgesehene Führung von Straßenbahn und Verkehr auf gemeinsamen Fahrstreifen führt.

Es wird daher beantragt,

dem Vorhabenträger eine Simulation des Verkehrs auf dieser Strecke aufzugeben und den Einwendern über den Unterzeichneten zur Verfügung zu stellen.

Aufgrund der fehlenden Aussagen dazu, ob das Vorhaben überhaupt den gewünschten Verkehrsfluss leisten kann, gehen die Einwender davon aus, dass ein Ausbau der Invalidenstraße und der Straßenbahnverbindung Nordbahnhof/Hauptbahnhof unter durchgängig getrennter Führung von Straßenbahn und Kfz-Verkehr auch verkehrlich die eindeutig bessere Variante ist, da zumindest für den Straßenbahnverkehr eine hohe Qualität gesichert werden kann und für den Kfz-Verkehr nicht eine Durchlässigkeit suggeriert wird, die gar nicht erreicht werden kann.

In den Ausführungen unter der Überschrift „Schalltechnische Untersuchung zur Lärmvorsorge“ erfolgt lediglich eine Problembeschreibung. Die Grenzwerte werden in großen Teilen drastisch überschritten. Eine Auseinandersetzung mit möglichen Minderungsmaßnahmen erfolgt hier nicht.

Gleiches gilt für die Ausführungen unter der Überschrift „Lufthygienische Untersuchung“. Auch hier erfolgt lediglich die Problembeschreibung, die die nahezu flächendeckende Grenzwertüberschreitung in einzelnen Straßenabschnitten feststellt. „Die geplante Maßnahme“, also das Straßenbauvorhaben, wird aus diesem Grunde als „problematisch“ klassifiziert. Es wird erwähnt, dass Reduktionsmöglichkeiten der Belastungssituation der Anwohner untersucht werden sollten. Es werden jedoch die Ergebnisse zum einen wieder relativiert, zum anderen keine Ansätze für Reduktionsmöglichkeiten aufgezeigt. Relativiert werden die Ergebnisse durch die Behauptung, dass durch die Senkung der Schadstoffimmissionen in der Zinnowitzer Straße und der Torstraße erheblich mehr Wohnnutzungen entlastet würden als in der Invalidenstraße zusätzlich belastet werden. Diese Aussage ist jedenfalls teilweise nicht richtig. In der Zinnowitzer Straße befindet sich wohl keine Wohnnutzung, so dass die Aussage hier schon im Ansatz verfehlt ist. In der Torstraße sind in den Untersuchungen in den Planfeststellungsunterlagen Verkehrsabnahmen um die 10 % im Vergleich zur Prognose Nullfall zur Straßenvariante 1 ausgewiesen. Dass diese zu deutlichen Entlastungen führen, erscheint kaum glaubhaft. Auf der anderen Seite ist die Belastungszunahme in der Invalidenstraße noch immer deutlich und die Anzahl der in den besonders belasteten Bereichen wohnenden Personen streckenweise um ein mehrfaches unterschätzt, wie zu den Variantenuntersuchungen näher ausgeführt ist. Der Hinweis auf eine Fortschreibung des Luftreinhalte- und Aktionsplans Berlin über das Jahr 2010 hinaus ist hier nicht zielführend, da keine Maßnahmen erkennbar sind, die der Luftreinhalte- und Aktionsplan des Landes Berlin zu einer Entlastung der Invalidenstraße von Luftschadstoffen vorsehen könnte.

Es ist offenkundig, dass als effektive Maßnahmen zur Minderung der Luftschadstoffbelastung empfindliche Verkehrsbeschränkungen in Betracht kommen. Solche können die Betroffenen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

– Beschluss vom 29.03.2007 – 7 C 9.06 – ; Urteil vom 27.09.2007 – 7 C 36.07 –

bei anhaltender Überschreitung der Luftschadstoffgrenzwerte verlangen. Damit wäre jedoch die verkehrliche Funktion des Vorhabens gefährdet. Das Vorhaben würde dann keinesfalls mehr zu einer Abnahme der Belastung in anderen hochbelasteten innerstädtischen Straßenzügen, insbesondere in der Torstraße, führen können. Es wäre im Gegenteil insoweit kontraproduktiv, da es zusätzlichen Verkehr in die Innenstadt geleitet hätte, der dann bei empfindlichen Verkehrsbeschränkungen in der Chausseestraße auch andere Straßen erheblich zusätzlich belasten würde.

Eine naheliegende Maßnahme zur Minderung der Luftschadstoffbelastung wird ausgerechnet in diesen Zusammenhang nicht erwähnt, sondern erst unter Überschrift „Vermeidung und Minderung bau-, anlage- und betriebsbedingter Beeinträchtigungen der Umwelt“. Dort wird auf S. 17 des Erläuterungsberichts die Bepflanzung als Immissionsfilter erwähnt. Allerdings wird sie ausschließlich im Zusammenhang mit Baumpflanzungen als Immissionsfilter für die oberen Etagen erwähnt. Viel naheliegender wäre es jedoch, den Einsatz eines Rasengleises in den besonders belasteten Bereichen auf Kosten der dritten und vierten Fahrspur für den Kfz-Verkehr zu prüfen, um die Luftschadstoffbelastung zu mindern. Viel naheliegender wäre es auch, eine Begrünung als Lärmschutz und Luftschadstofffilter am Spielplatz südlich der Invalidenstraße gegenüber dem Nordbahnhof („Plansche“) vorzusehen.

Der Erläuterungsbericht leistet damit weder eine vollständige Problembeschreibung noch die Schilderung von Lösungsmöglichkeiten und spiegelt insoweit die unzureichenden Überlegungen auch in den sonstigen Planunterlagen und in den Fachgutachten wieder.