Bürgerinitiative Invalidenstraße

Der schalltechnische Bericht zum Straßenbau überzeugt in wesentlichen Teilen nicht. Vor allem aber werden die notwendigen rechtlichen Konsequenzen aus diesem schalltechnischen Bericht – die Unzulässigkeit des Vorhabens wegen Gesundheitsgefährdungen und schwerer und unerträglicher Eigentumsbeeinträchtigungen – nicht gezogen.

Zutreffend wird auf Seite 5 des schalltechnischen Berichts der Anschluss der Caroline-Michaelis-Straße an die Invalidenstraße als Straßenneubau im immissionsschutzrechtlichen Sinne charakterisiert.

Unzutreffend ist dagegen die nachfolgende Annahme, der Ausbau der Invalidenstraße von Gartenstraße bis Friedrich-List-Ufer stelle keine Erweiterung einer Straße um eine oder mehrere durchgehende Fahrspuren dar, sondern einen erheblichen baulichen Eingriff, der zunächst daraufhin zu überprüfen sei, ob er Lärmauswirkungen hat, die zur Annahme einer wesentlichen Änderung im immissionsschutzrechtlichen Sinne und damit zu Schutzansprüchen führen. Die dem zugrunde liegende Annahme ist die, dass die Invalidenstraße in ihrem derzeitigen Zustand eine durchgehende vierspurige Befahrung durch den Kfz-Verkehr erlauben würde. Dies ist jedoch in den engen Bereichen der Invalidenstraße keineswegs der Fall. Hier wäre für eine durchgängige vierspurige Führung des Kfz-Verkehrs ein Umbau erforderlich. Die Ausbaumaßnahme stellt sich daher insgesamt als die Herstellung einer durchgehenden vierstreifigen Führung des Kfz-Verkehrs dar und ist aus diesem Grunde eine wesentliche Änderung im immissionsschutzrechtlichen Sinne.

Nicht überzeugend ist der schalltechnische Bericht, wenn er sich auf Seite 7 auf Berechnungsfaktoren stützt, die auf Erhebungen der Jahre 1997-1999 an Berliner Stadtstraßen zurück gehen. Es hätte zumindest eine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgen müssen, ob diese Werte 10 Jahre später noch gleichermaßen anwendbar sind, ob es neuere Erkenntnisse gibt und wie diese Werte zu anderen Standardwerten stehen, ob sie im Verhältnis zu diesen etwa eher zu Überschätzungen oder zu Unterschätzungen der Belastung führen.

Hinsichtlich des LKW-Anteils wird aufgrund der in Zukunft steigenden Verkehrsbedeutung der Straße gefordert, für die Lärmberechnungen auf die Standarddaten der Anlage 1 zur Verkehrslärmschutzverordnung für Gemeindeverbindungsstraßen, Kreisstraßen und Landesstraßen zurückzugreifen (20 und 10 % tags und nachts).

Entgegenzutreten ist der Behauptung des Gutachters auf Seite 9, das „3 dB (A) Kriterium der 16. BImSchV sei in Wirklichkeit ein 2,1 dB (A) Kriterium“. Anlage 1 der 16. BImSchV bestimmt auch für den Straßenverkehrslärm stets die Aufrundung, sodass jeder Pegel größer 2 dB (A) bereits das 3 dB (A) Kriterium erfüllt, nicht etwa erst – wie der Gutachter meint – jeder Pegel größer 2,1 dB (A).

Nicht dargelegt wird vom Gutachter die Herkunft verschiedener Eingangsdaten der Berechnung. So bleibt offen, welcher Unterlage die Verkehrsstärken entnommen sind, welche sich Tabelle 1.1 für den Prognosenullfall (Prognosehorizont 2015) und Tabelle 1.2 für den Prognoseplanfall (Zeithorizont 2015) entnehmen lassen. Für den Prognosenullfall wird etwa für die Invalidenstraße westlich der Chausseestraße von 9750 Fahrzeugen ausgegangen, für die Invalidenstraße östlich der Chausseestraße bis zum Nordbahnhof von 9700 Fahrzeugen. Für den Prognoseplanfall wird für die gleichen Strecken von 13250 und 14950 Fahrzeugen ausgegangen, wobei es sich ausweislich der Überschrift der Spalten wohl um die Belastung einzelner Fahrstreifen handelt.

Bei den tabellarischen Darstellungen der berechneten Belastungen an den Immissionsorten bleibt offen, von welchen Abständen zwischen Immissionsort und jeweils berechnetem Fahrstreifen der Gutachter ausgegangen ist und von welchen Höhen der einzelnen Stockwerke er ausgegangen ist. Es liegt auf der Hand, dass hier Klärungsbedarf besteht, da aufgrund der extrem geringen Abstände bereits Differenzen bei einem Meter zu erheblich abweichenden Berechnungsergebnissen führen. Aufklärungsbedarf hinsichtlich der angenommenen Höhen der Immissionsorte in den einzelnen Stockwerken besteht, da augenscheinlich die Stockwerke sehr unterschiedliche Höhen in den einzelnen Häusern aufweisen und aus diesem Grunde nicht ohne weiteres von gleichen standardisierten Höhenannahmen für die einzelnen Geschosse ausgegangen werden kann.

Es wird daher beantragt,

für das Gebäude der Einwender die bei der schalltechnischen Berechnung zugrunde gelegten Abstandsannahmen und die für die einzelnen Stockwerke angenommenen maßgeblichen Höhen vom Gutacher einzuholen und den Einwendern über den Unterzeichner zur Verfügung zu stellen.

Unklar bleibt auch, wie die Anzahl der für die Berechnungen maßgebliche Stockwerke ermittelt wurde. Da die schalltechnische Berechung ganz offenkundige Defizite aufweist, erfordert dies näherer Darlegung. Offenkundige Defizite bestehen insofern, als für einzelne offenkundig bebaubare Grundstücke, für die auch bereits eine Baugenehmigung vorliegt, gar keine Berechnung erfolgte. Es handelt sich hierbei beispielsweise um die Grundstücke Invalidenstraße 116, Invalidenstraße 117, Invalidenstraße 118 und Invalidenstraße 119. Für all diese Grundstücke liegt seit Jahren eine Baugenehmigung vor. Die Eigentümer haben nach § 42 des Bundesimmissionsschutzgesetzes auch einen Anspruch auf Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen, sofern aktive Schallschutzmaßnahmen untunlich bzw. unverhältnismäßig sind. Dennoch sind die genannten Grundstücke und Gebäude in der Berechnung nicht berücksichtigt.

Unklar bleibt auch, ob in allen Gebäuden die tatsächlich geschützten Geschosse ermittelt wurden. Das Gebäude Invalidenstraße 122 etwa verfügt über ein Souterrain mit Aufenthaltsräumen für das Hotel und ein ausgebautes Dachgeschoss. Das Gebäude Invalidenstraße 120 – 121 verfügt über ausgebaute Dachgeschosse, ebenso die Gebäude Invalidenstraße 115 und 104.

Weiterer Vortrag zu eventuellen Ermittlungsdefiziten wird vorbehalten.

Unklar bleibt bei der schalltechnischen Berechnung auch, ob alle Zuschläge berücksichtigt wurden. Ein Vergleich der für das Gebäude Invalidenstraße 122 berechneten Beurteilungspegel mit denjenigen Beurteilungspegeln, die für die Gebäude Invalidenstraße 120 und 121 berechnet wurden, lässt hieran Zweifel aufkommen. Das Grundstück Invalidenstraße 122 befindet sich unmittelbar gegenüber der Einmündung der Caroline-Michaelis-Straße und damit im Nahbereich der vorgesehenen Lichtsignalanlage. Zumindest der westliche Immissionsort am Gebäude Invalidenstraße 120 befindet sich in deutlicher Entfernung zur Lichtsignalanlage und müsste daher einen geringeren Zuschlag für die Nähe zur Lichtsignalanlage erhalten. Auch wenn dort die Fahrstreifen wieder langsam zusammen geführt werden, erklärt dies nicht, warum am Immissionsort Invalidenstraße 120 noch immer deutliche höhere Beurteilungspegel errechnet wurden als am Immissionsort Invalidenstraße 122.

Vor allem aber vermeidet nicht nur die schalltechnische Untersuchung, sondern auch der Erläuterungsbericht und vermeiden die sonstigen Planfeststellungsunterlagen die Auseinandersetzung mit den rechtlichen Konsequenzen der Berechnungen. Wenn beispielsweise für den Immissionsort Invalidenstraße 120 im Prognosefall ohne die Baumaßnahme bereits ein Beurteilungspegel von 63 dB (A) nachts errechnet wird, so liegt dieser deutlich im gesundheitskritischen und das Eigentum schwer und unerträglich beeinträchtigenden Bereich. Zu einem solchen bereits geundheitskritischen Wert kommt dann noch eine erhebliche Zusatzbelastung von hier 6 dB (A) hinzu, so dass sich in Summe eine Belastung von 69 dB (A) nachts und 77 dB (A) am Tage ergibt. Am Immissionsort Invalidenstraße 121 ist die Belastung nachts noch höher. Damit wird eine gesundheitskritische und das Eigentum schwer und unerträglich beeinträchtigende Belastung durch das Vorhaben noch einmal erheblich verschärft. In einem solchen Fall ist es aber mit der reinen Ermittlung von wesentlichen Änderungen und Anspruchsberechtigungen auf passive Schallschutzmaßnahmen dem Grunde nach nicht getan. Hier ist die Grenze zur schweren und unerträglichen Eigentumsbeeinträchtigung durch das Vorhaben überschritten. Es stellt sich die Frage nach einem Anspruch auf Übernahme des Gebäudes.

Dies gilt umso mehr, als die schalltechnischen Berechnungen ausweisen, dass auch in Außenwohnbereichen der betroffenen Gebäude extrem hohe Grenzwertüberschreitungen auftreten. So ist etwa für den Immissionsort Invalidenstraße 120 – 121 im obersten Geschoss eine mit Baumaßnahme berechnete Belastung von 74 dB (A) am Tage (und 66 dB (A) in der Nacht) zu verzeichnen. Auf dem direkt nebenan liegenden Grundstück Invalidenstraße 118, 119 ist die Errichtung eines Hauses mit einer Dachterrasse bzw. einem Dachgarten in dieser Höhe geplant und genehmigt. Für diesen Fall stellt sich nicht nur die Frage nach der Entschädigung für verbleibende Beeinträchtigungen des Außenwohnbereiches sondern die Frage nach der entschädigungspflichtigen Übernahme des nicht mehr ohne Gesundheitsgefährdung und schwere und unerträgliche Beeinträchtigung des Eigentums nutzbaren Grundstücks und Gebäudes.

Es wird daher ausdrücklich das Geltendmachen von Übernahmeansprüchen vorbehalten.