Bürgerinitiative Invalidenstraße

Die lufthygienische Untersuchung ist in ihrer Darstellung der Methodik und der Grundlagen ausführlicher als die schalltechnischen Berichte, was zu begrüßen ist. Das fördert das Verständnis der durchgeführten Untersuchungen und der zugrundeliegenden Überlegungen des Sachverständigen.

Dennoch leidet auch die lufthygienische Untersuchung unter maßgeblichen Fehlern, die auf das Ergebnis von Einfluss sind. Vor allem aber wirft sie noch eine Vielzahl von Fragen auf und kommt zu keinem wirklich verwertbaren Ergebnis. Die eher dürftigen Überlegungen, wie den extremen Grenzwertüberschreitungen zu begegnen ist, stehen auch in deutlichem Gegensatz zu dem im Gutachten selbst dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung sowie insbesondere zu der deutlichen Höhe der Überschreitungen der die Gesundheitsgefährdungsschwelle markierenden Grenzwerte für Luftschadstoffe.

Im Einzelnen:

Als Ausgangsbelastung sollte die Belastung im Jahr 2005 ermittelt worden sein (vgl. S. 3, 29, 48). Es scheint aber nicht ganz deutlich zu werden, wie der Gutachter eigentlich auf die Belastung für das Bezugsjahr 2005 kommt und wie er diese Belastung verifiziert hat. Auf S. 28 ist von Berechnungsdaten zum Luftreinhalteplan für die Jahre 2002 und 2010 die Rede. Zwischenzeitlich werden auch Messwerte an nahegelegenen Messtandorten erwähnt (S.11). Wie aber eigentlich die Ausgangsbelastung für das Jahr 2005 ermittelt wurde, bleibt letztlich offen. Offen bleibt auch, wie sie zu den aktuellen Messergebnissen des Luftgütemessnetzes stehen. Offen bleibt, ob sie mit den aktuellen Messwerten verifiziert wurden. Offen bleibt auch, warum in einem Fachgutachten, dass ein Fertigstellungsdatum aus dem Oktober 2007 trägt, ein Bezugswert für das Jahr 2005 und nicht für das Jahr 2006 herangezogen wird. Offen bleibt, welchen Einfluss die jeweils aktuelle Wetterlage auf den Bezugsfall – und damit zugleich auf die Prognosefälle – hat. Wurde ein besonders belastungsschwaches oder ein besonders belastungsstarkes Bezugsjahr gewählt? Wie wird dies ggf. methodisch korrekt ausgeglichen?

Um diese Unsicherheiten zumindest ansatzweise auszugleichen, beantragen die Einwender,

dem Vorhabenträger die Verifizierung der Vorbelastungsannahmen und Hintergrundbelastungsannahmen durch Messungen unterschiedlicher Belastungssituationen vor Ort und deren Hochrechnung auf ein belastungsstarkes Jahr aufzugeben und die Ergebnisse den Einwendern über den Unterzeichneten zur Verfügung zu stellen.

Dies sollte dann eine Bezugsgröße für die Verifizierung der Berechnungen sein. Eine solche Vorgehensweise ist im vorliegenden Fall umso eher angezeigt, als hier bereits im Ausgangszustand hohe Luftschadstoffgrenzwertüberschreitungen festgestellt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen aktuellen Entscheidungen aus dem Jahr 2007

– Beschluss vom 29.03.2007 – 7 C 9.06 – ; Urteil vom 27.09.2007 – 7 C 36.07 –

entgegen der etwas relativierenden Darstellung des Fachgutachters auf S. 9 seines Gutachtens die Eigenschaft der Luftschadstoffgrenzwerte zur Markierung der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung eindeutig geklärt. Ist die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung aber schon heute überschritten und sollte sie durch das Vorhaben noch einmal deutlich stärker überschritten werden, indem den Anwohnern ein mehrfaches des heutigen Verkehrsaufkommens zugemutet werden soll, ist die besonders sorgfältige Absicherung sowohl der Vorbelastung/Hintergrundbelastung als auch der zukünftig zu berechnenden Belastungen geboten. Vor diesem Hintergrund ist der Aufwand von ortspezifischen Messungen zur Verifizierung von Vorbelastung und Hintergrundbelastung geboten.

Zutreffend weist der Fachgutachter auf S. 4 darauf hin, dass die Grenzwerte der 22. BImSchV für alle Bereiche gelten, wo sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten. Bei der Invalidenstraße ist zu berücksichtigen, dass es sich auch um eine Geschäftsstraße handelt, in der eine Vielzahl von Menschen ganztägig arbeiten und durch das ständige Öffnen und Schließen der Türen der Geschäfte der extrem starken Schadstoffbelastung durch den Straßenverkehr ständig ausgesetzt sind, ohne dass dagegen technische Mittel wie etwa Schadstofffilter eingesetzt werden könnten. Das Öffnen und Schließen der Türen ist nun einmal charakteristisch für Geschäfte. Die Beschäftigten in diesem Bereich sind daher – worauf der Gutachter in der Bewertung eigentlich zurückkommen müsste, was er jedoch leider unterlässt – ohne Schutzmöglichkeit den extrem hohen Luftschadstoffbelastungen und damit in der Bewertung deutlichen Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt. Man könnte auch mit den Erkenntnissen der Auswirkungen derartiger Luftschadstoffbelastungen deutlicher formulieren: Die Lebenserwartung der Beschäftigten in der Invalidenstraße sinkt mit Realisierung des Planfalls deutlich. Dieser Aspekt kommt in dem Fachgutachten – obgleich vom Gutachter selbst wohl teilweise im Ansatz erkannt und im übrigen auf der Hand liegend – leider nicht zum Tragen.

In diesem Zusammenhang ist den in Tabelle 3.2 auf S. 2 des Gutachtens wiedergegebenen völlig veralteten Bewertungen aus den Jahren 1993 entschieden entgegen zu treten. Die Bewertung, dass es sich bei Schadstoffbelastungen über 100-110% über des jeweiligen Grenzwertes um „geringfügige Überschreitungen“ handele, erst über 110-150% um deutliche Überschreitungen und bei über 150% um hohe Überschreitungen, ist nutzlos. Es geht hier darum, dass die normativ gesetzte Schwelle zur Gesundheitsgefährdung bei Grenzwertüberschreitungen nun einmal erreicht ist und deren Überschreitung in jedem Falle zunächst zu vermeiden ist, da adäquate Schutzmaßnahmen nicht ansatzweise erkennbar sind.

Begrüßenswert ist, dass der Fachgutachter auf S. 9, 10 diejenigen Entscheidungen aus der Rechtsprechung anführt, die seine Bewertungen beeinflussen. Weniger begrüßenswert ist es, dass er die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2007

 – Beschluss vom 29.03.2007 – 7 C 9.06 – ; Urteil vom 27.09.2007 – 7 C 36.07 –

nicht mit anführt, denn diese haben anerkanntermaßen grundlegende Bedeutung in diesem Zusammenhang. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle nur darauf, dass der Gutachter auch erwähnt, dass VG Berlin und OVG Berlin in ihren Entscheidungen zur sogenannten TVO, in der sie über geringfügige Grenzwertüberschreitungen an Gebäuden, die nicht den jeweiligen Klägern gehörten, zu entscheiden hatten, davon ausgegangen sind, dass Situationen hoher Luftschadstoffkonzentrationen an zentralen Verkehrsknotenpunkten, starker Schadstoffvorbelastungen durch eine Vielzahl vom Emitenten bzw. extremer Überschreitung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung nicht mehr ohne weiteres zu bewältigen sind. Für solche Fälle gilt also nicht die Grundannahme, dass die – in der Regel geringfügigen – Überschreitungen von Grenzwerten im Laufe der Zeit mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung regelmäßig zu bewältigen sein werden.

Auf S. 11 erwähnt der Fachgutachter, dass die PM10-Emissionsbestimmung für Abrieb und Aufwirbelung nach eigenen Forschungsarbeiten erfolgen würde. Hier fehlt allerdings die Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese selbst gewonnenen Forschungsergebnisse in der Fachwelt unstreitig sind und wie sie ggf. zu anderen Erkenntnissen stehen, insbesondere, ob andere Erkenntnisse zu höheren Belastungsannahmen führen.

Unklar bleibt in dem Gutachten, wie Vorbelastung und Hintergrundbelastung ermittelt wurden. Auf S. 11 wird ausgeführt, die Vorbelastung werde auf der Grundlage von Messwerten an nahegelegenen Messstandorten abgeschätzt. Welche Messstandorte herangezogen wurden, inwieweit die dort gemessenen Werte auf die Situation in der Invalidenstraße übertragbar sind, wie die Abschätzung und Übertragung im einzelnen erfolgt ist – all das ist allerdings – obgleich von größter Bedeutung für das Ergebnis der Betrachtung – leider nicht ausgeführt. Insoweit bedarf es der Klarstellung.

Klarzustellen ist außerdem, wie die soeben angeführte Angabe zu den Angaben zur Schadstoffhintergrundbelastung auf S. 28, 29 des Gutachtens stehen. Danach ist die Hintergrundbelastung, die dann im Gutachten für 2005 angegeben wird, aus Berechnungen zum Luftreinhalteplan des Landes Berlin für die Jahre 2002 und 2010 abgeleitet. Auch dort fehlt die Ableitung, also die Ausführung dazu, wie von den Jahren 2002 und 2010 auf das Jahr 2005 und dann auf das Jahr 2015 umgerechnet wurde.

In jedem Falle zu klären ist, wie die Angaben zur Vorbelastung auf S. 11 zu den Angaben zur Hintergrundbelastung auf S. 28, 29 stehen, ob also im Gutachten zwischen Vorbelastung und Hintergrundbelastung unterschieden wird und wo dann die Vorbelastung, die ja aus Messergebnissen abgeleitet worden sein soll, dann dargestellt ist. Die Vorbelastungsermittlung mag sich ja der hier vertretenen Forderung, die Luftschadstoffbelastungen zusätzlich auf Messergebnisse zu stützen, annähern. Das ist aber dem Gutachten nicht zu entnehmen. An dieser Stelle besteht weiterer Erklärungsbedarf, zu dem vertieft Stellung genommen wird, sobald wir dazu durch Informationen des Fachgutachters in die Lage versetzt werden.

Auch bei anderen methodischen Überlegungen bleiben letztendlich Detailfragen offen, so bspw. bei der Umsetzung des bei Verbrennungsprozessen emittierten NO in NO² über eine empirische Konversionsformel, die in Anhang A 3.2. näher erläutert sein soll. In Anhang A 3.2. wird dann aber durchgängig auf ältere Erkenntnisse verwiesen, ohne dass es zum aktuellen Stand der Erkenntnisse ausgeführt wird. Unsicherheiten in diesem Punkte könnten ebenfalls durch die hier vertretene Forderung nach Messungen vor Ort wohl zu einem Großteil beseitigt werden.

Hinsichtlich der Umrechnung des nicht mehr als 35 mal zu überschreitenden Tagesmittelwertes in einen Jahresmittelwert bleibt zu den Ausführungen auf S. 15 zumindest die Frage zu beantworten, ob die Erkenntnisse aus NRW ohne weiteres auf das Land Berlin übertragbar sind. Immerhin herrscht dort ein anderes Klima als im Berliner Raum.

Die ausführlichen Darstellungen des Fachgutachters zu den zugrundegelegten Verkehrsdaten ab S. 18 sind zu begrüßen und dienen dem Verständnis des Gutachtens. Angesichts der Absicht des Landes Berlin, noch in diesem Jahr eine aktuelle Prognose für das Jahr 2025 vorzulegen, ist allerdings zu fordern, dass die verwendeten Zahlen auch in diesem Jahr dann noch einmal anhand der Prognosedaten für 2025 überprüft werden.

Zu begrüßen ist, dass der Lkw-Anteil > 3,5 t mit dem Faktor 1,17 hochgerechnet wurde auf den Lkw-Anteil > 2,8 t, der den Belastungsberechnungen zugrundegelegt wurde. Unklar bleibt, ob hier eine Differenz zu den Berechnungen des Schallgutachters verbleibt, da der Schallgutachter derlei Klarstellung leider nicht vorgenommen hat. Diese Frage ist im Zusammenhang mit der Erörterung der Schallgutachten zu klären.

Bei den Berechnungen für den Ist-Zustand 2005, den Nullfall 2015 und den Planfall 2015 muss – sowohl bei den Schadstoff-, wie auch bei den Lärmberechnungen zunächst von verkehrstechnischer/verkehrsplanerischer Seite die Frage beantwortet werden, ob der Nullfall 2015 überhaupt eintritt, denn die Straßenverbindung ist augenscheinlich (Invalidenstraße östlich wie westlich der Chausseestraße) schon heute mit einer Belastung, die für den Ist-Zustand mit 10 700 Fahrzeugen östlich und 13 600 Fahrzeugen westlich der Chausseestraße angegeben wird, deutlich überlastet. Klarzustellen ist daher aus verkehrstechnischer/verkehrsplanerischer Sicht, ob der Nullfall 2015 mit einer angenommenen Belastung von 19 400 bzw. 19 500 Fahrzeugen in diesen Abschnitten überhaupt eintreten kann oder ob es sich dabei nicht um ein völlig unrealistisches Szenario handelt, welches – da verkehrlich nicht möglich – Belastungsbetrachtungen nicht zugrundegelegt werden kann.

Für den Planfall 2015 ist die für die Anwohner alarmierende Belastung von 29 900 Fahrzeugen in der Invalidenstraße östlich der Chausseestraße und 26 500 Fahrzeugen westlich der Chausseestraße angegeben, also eine annähernde Verdreifachung des Verkehrs bei einer gleichzeitigen Anhebung des Lkw-Anteils auf mehr als das Doppelte, also einer Steigerung in absoluten Zahlen auf etwa das siebenfache.

Auch für die lufthygienische Untersuchung ist zu fordern, dass hinsichtlich des Lkw-Anteils die Standardannahmen in der Anlage 1 zur 16. BImSchV für Gemeindeverbindungs-, Kreis- und Landesstraßen (Lkw-Anteil tags 20%, nachts 10%) zugrunde zu legen sind, um Berechnungen „auf der sicheren Seite“ durchzuführen.

Offenkundige Fehler weist die lufthygienische Betrachtung bei der methodisch sehr gut aufbereiteten Berücksichtung der Bebauungstypen der Straßenrandbebauung auf. Der Gutachter hat zwar – methodisch korrekt – für den Planfall die festgesetzten Bebauungsplanungen berücksichtigt. Er hätte aber – auf die grundlegende Wertung in § 42 Abs.1 BImSchG wird insoweit verwiesen – zumindest auch die genehmigte Bebauung, wie auch die zu erwartende, da sich aufgrund der örtlichen Situation geradezu aufdrängende, Baulückenschließung berücksichtigen müssen. Das hat er nicht getan, wie die Darstellungen in Abb. 4.6, 4.7 und 4.8. (S. 24-26) zeigen. Die Bebauung der Grundstücke Invalidenstraße 116-117 ist seit Jahren genehmigt. Dennoch werden die Grundstücke als Baulücke dargestellt. Gleiches gilt für die etwas weiter westlich gelegene Baulücke.

Da die Straßenschlucht eines der entscheidenden Eingangsparameter für die Luftschadstoffausbreitung und damit die Luftschadstoffkonzentration ist, muss die Berechnung mit geschlossener Straßenschlucht im Bereich zwischen Chausseestraße und Caroline-Michaelis-Straße (mit Unterbrechung bei der Straße am Nordbahnhof) wiederholt werden!

Aus Anlass zu den Ausführungen zu den nicht motorbedingten Emissionsfaktoren auf S. 33 des Gutachtens soll hier noch einmal auf die Bedeutung von Messungen bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen vor Ort und deren Hochrechnung auf repräsentative Witterungsverhältnisse hingewiesen werden. Gerade die Unsicherheit hinsichtlich der Bestimmung nicht motorbedingter Emissionsfaktoren lässt die Verifizierung durch Messungen umso wichtiger erscheinen – noch dazu, wenn die Grenzwertüberschreitungen so extrem hoch sind, wie das hier der Fall ist.

Die Ergebnisdarstellung – beispielhaft auf den Tabellen S. 48 und S. 49 erkennbar – zeigen dann die extrem hohe Belastungszunahme entlang der geplanten Trasse für den Planfall auch gegenüber dem Nullfall 2015. Sie zeigen auch auf, dass nicht nur die Tagesmittelgrenzwerte und deren Überschreitungshäufigkeit weit über den gesetzlichen Festlegungen liegen, sondern auch die Jahresmittelwerte, was selbst unter Berücksichtigung der innerstädtischen Lage und der Straßenschluchtsituation auf eine außergewöhnlich hohe Konzentration hinweist. Sie zeigen zudem auf, dass die Schadstoffkonzentration in der Invalidenstraße bereits im Ist-Zustand derjenigen in der Torstraße vergleichbar ist und sowohl für den Nullfall 2015 wie auch den Planfall 2015 sehr deutlich die für die Tortstraße berechneten Werte überschreitet. Die Luftschadstoffbelastungssituation ist mithin in der Invalidenstraße in jedem Fall in der Zukunft sehr viel dramatischer, als in der Torstraße.

Die Detailrechnungen mit MISKAM auf S. 52-57 des Gutachtens erzielen bei Detailrechnungen noch einmal höhere Werte der Belastung in der Invalidenstraße. Die Grenzwertüberschreitungen sind demnach noch extremer, als bei groben Berechnungen des Screening-Modells angenommen.

Vor diesem Hintergrund scheint die lufthygienische Gesamtbeurteilung über etwa eine Seite auf S. 57 und S. 58 des Gutachtens nur die Hilflosigkeit des Gutachters auszudrücken, der gehalten ist, für seinen Auftraggeber trotz der extremen Luftschadstoffgrenzwertüberschreitungen diese Tatsache nicht zu deutlich herauszustellen, die Grenzwertüberschreitungen zu relativieren und die Frage nach der Zulässigkeit der Maßnahme aus lufthygienischer Sicht erst gar nicht aufzuwerfen. Es ist bedauerlich, dass der Gutachter hier keine deutlichere Bewertung abgibt. Die Bewertung des Gutachters erscheint parteilich im Sinne seines Auftraggebers. Die sei an Beispielen erläutert:

Der Gutachter behauptet, dass es „im Gegenzug“ zu den extrem hohen Grenzwertüberschreitungen für den Planfall 2015 in der Invalidenstraße Entlastungen entlang der Torstraße, Zinnowitzer Straße und der Invalidenstraße östlich der Eichendorffstraße gebe. Der letztgenannte Straßenabschnitt (Invalidenstraße östlich der Eichendorffstraße) wird von ihm in seinen Berechnungen gar nicht dargestellt. Nach den zugrunde gelegten Verkehrszahlen ergibt sich vorhabensbedingt auch nur eine relativ geringe Verkehrabnahme. Möglicherweise wird es dort zu einer geringfügigen Entlastung kommen. Welche Bedeutung diese Entlastung hat, kann der Gutachter aber gar nicht bewerten, weil ihm insoweit die Daten fehlen. Eine Entlastung der Torstraße hat der Gutachter zwar ermittelt, es wäre jedoch zu diskutieren, in welchem Ausmaß diese Entlastung auf das Vorhaben zurückzuführen ist. Denn seine eigenen Berechnungen zeigen, dass die Belastung v.a. im Vergleich zwischen Ausgangszustand 2005 und Nullfall 2015 sinken im Vergleich zwischen Nullfall 2015 und Planfall 2015 aber nur noch sehr geringfügig. Die Entlastung der Torstraße ist also nicht vorhabensbedingt, sondern zu einem ganz überwiegenden Teil auf andere Umstände zurückzuführen. Es ist auffällig im Sinne der Planungsintention seines Auftraggebers, wenn der Gutachter den Eindruck hervorruft, dass die Entlastung der Torstraße auf die Realisierung des Vorhabens zurückzuführen wäre. Er muss es aber eigentlich besser wissen und hätte diesen Umstand auch diskutieren müssen. Bei der Zinnowitzer Straße verhält es sich etwas anders, hier lassen die Berechnungswerte erahnen, dass es sich tatsächlich überwiegend um vorhabensbedingte Schadstoffminderungen handelt. Allerdings sind dort zum einen die Schadstoffbelastungen in noch akzeptablen Bereichen, zum anderen wird die Zinnowitzer Straße – mit Ausnahme der Bebauung an der Chausseestraße – nicht zum Wohnen genutzt. Bedauerlich ist, dass der Gutachter in der Gesamtbeurteilung nicht so ehrlich ist, darauf hinzuweisen, dass der Großteil der für den Planfall berechneten Belastung auf das Vorhaben zurückzuführen ist. Die Aussage des Gutachters auf S. 58, dass durch die Senkung der Schadstoffemissionen in der Zinnowitzer Straße und Torstraße erheblich mehr Wohnnutzungen entlastet würden als in der Invalidenstraße zusätzlich belastet werden, ist nicht nur unbelegt, sondern mit einiger Sicherheit falsch, da der Gutachter impliziert, dass diese vorhabensbedingt sei, in der Torstraße – wo die Wohnnutzung im Gegensatz zur Zinnowitzer Straße tatsächlich intensiv ist – die Schadstoffsenkung aber zum ganz überwiegenden Teil nicht vorhabensbedingt ist. Zudem sind bei der Bewertung der Anzahl der Wohnnutzungen in der Invalidenstraße gerade die besonders sensiblen Nutzungen des Seniorenwohnheims, aber auch die Nutzungen der Hotels und die genehmigten Bauvorhaben fehlerhaft nicht mit betrachtet worden.

Die Aussage, dass der Luftreinhalte- und Aktionsplan des Landes Berlin über das Jahr 2010 hinaus fortgeschrieben werden müsse, falls weiterhin Grenzwertüberschreitungen auftauchen, klingt vor dem Hintergrund der extremen berechneten Grenzwertüberschreitungen nur noch hilflos. Was will der Gutachter damit aussagen? Grenzwertüberschreitungen sind von ihm in einem extremen Ausmaß berechnet. Die entscheidende Frage wäre doch jetzt, ob Maßnahmen der Luftreinhalte- und Aktionsplanung des Landes Berlin geeignet sein könnten, diese Grenzwertüberschreitungen zu bewältigen.

Diese Frage durfte der Gutachter aber offensichtlich nicht stellen, da sie eindeutig beantwortet werden kann: Es sind keine Maßnahmen des Luftreinhalte- und Aktionsplans denkbar, die die extremen Grenzwertüberschreitungen durch die vorliegende Planung bewältigen könnten!

Es liegt daher hier ein Ausnahmefall im Sinne der Ausführungen des Gutachters auf S. 9 und S. 10 seines Gutachtens vor, in dem nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Auftreten der Problematik der Grenzwertüberschreitungen durch die Luftreinhalteplanung bewältigt werden kann. Es liegt ein innerstädtischer Verkehrsknoten vor, es liegen extreme Grenzwertüberschreitungen vor. Der Gutachter hätte hier auch noch der Frage nachgehen müssen, ob die Grenzwertüberschreitungen allein schon durch das Vorhaben selbst hervorgerufen werden, was im vorliegenden Fall zumindest naheliegend ist: Den Verkehrsbelastung soll von 10 700 auf 29 900 Fahrzeuge gesteigert werden. Für die Belastung mit den 10 700 Fahrzeugen werden Grenzwertüberschreitungen berechnet. Das Vorhaben selbst mit einer Verkehrsbelastung von prognostizierten 19 200 Fahrzeugen wird also schon für sich allein zu Grenzwertüberschreitungen führen. Vor diesem Hintergrund ist das Vorhaben wegen Überschreitung der Luftschadstoffgrenzwerte und fehlender Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung absolut unzulässig.

Enttäuschend ist das Gutachten insoweit, als der Gutachter keine Minderungsmaßnahmen diskutiert – nicht einmal, soweit sie aufgrund der Planung geradezu auf der Hand liegen. Das gilt hier für Begründungsmaßnahmen wie Straßenbegleitgrün und die teilweise in der Planung vorgesehenen Bäume ebenso wie für die Führung der Straßenbahntrasse in einem gesonderten Gleisbett, welches dann als Rasengleis oder sogar als besonders stark schafstoffabsorbierendes „Moosgleis“ ausgeführt werden könnte.